Die verbotene Stadt der Sowjets

Wünsdorf, ein Ortsteil der Stadt Zossen im Landkreis Teltow-Fläming, hat eine wechselvolle Militär-geschichte hinter sich: beginnend mit der Kaiserzeit über die Weimarer Republik, das Dritte Reich bis hin zur russischen Militärstadt.

 

Genosse Wladimir Iljitsch Lenin steht heute immer noch mit Stolz erhobenem Haupt auf seinem Sockel vor dem Haus der Offiziere und blickt auf den seit über 20 Jahren verwaisten Appellplatz hinab. Die Zeiger der Turmuhr stehen auf 5 vor 12. Absicht oder Zufall?

 

Bereits im Sommer 1877 wurde in der Nähe von Wünsdorf, in Kummersdorf ein Schießplatz für die Preußische Artillerie-Prüfungs-Kommission in Betrieb genommen. 1888 wurde er mit dem Schießplatz Jüterbog durch eine Kleinbahn verbunden. Die neu erbaute Bahnstrecke Berlin–Dresden ersetzte diese ab 1897. Im Zuge der Erweiterung des Truppenübungsplatzes ab 1906 bezog man Wünsdorf mit ein. Ab 1910 entstanden in Wünsdorf zahlreiche Kasernenanlagen: 1912 das Fernsprech- und Telegrafenamt und 1913 die Infanterieschule.

 

Im Ersten Weltkrieg war Wünsdorf Sitz des Hauptquartiers der Reichswehr. In dieser Zeit entstand die Kaiserlichen Turnanstalt, die von 1919 bis 1943 in die Heeressportschule überging. Bekannt ist sie als „Haus der Offiziere“.

 

Im Laufe der Jahre wurde der Militärstandort immer mehr ausgebaut. In der Zeit des Nationalsozialismus entstanden riesige Kasernenkomplexe und Bunkeranlagen. Wünsdorf entwickelte sich zum wichtigsten Nachrichtenzentrum des deutschen Reiches. Zwischen 1939 und 1945 war hier das Oberkommando des deutschen Heeres untergebracht.

 

Am 20. April 1945 marschierten die russischen Truppen in Wünsdorf ein. Das Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland bezog die Kasernenkomplexe. Der Standort wuchs sehr schnell und wurde wegen seiner taktischen Bedeutung von der Umgebung abgeschottet. Es entstand eine sowjetische Stadt mitten in Deutschland, in der zu Spitzenzeiten 50.000 bis 75.000 sowjetische Männer, Frauen und Kinder lebten.

 

Neben Kasernenanlagen und Wohnhäusern wurden Brotfabriken, Warenhäuser und Geschäfte gebaut, die es den sowjetischen Truppen ermöglichten, ein vollkommen autarkes Leben in der Fremde zu führen. Ebenso entstanden Schulen, ein Kulturzentrum mit Theater und ein eigenes Krankenhaus. Die Stadt hatte einen eigenen Bahnhof, von dem täglich Züge zwischen Wünsdorf und Moskau verkehrten.

 

Der Abzug der sowjetischen Truppen aus Wünsdorf erfolge im Jahr 1994. Sie hinterließen eine leere Garnisonsstadt, ein Areal von 260 Hektar munitionsverdächtiger Fläche. 98.300 Stück Munition und 47.000 Stück sonstige Kampfmittel, 29,3 Tonnen Munitionsschrott, die wie auch weitere Bomben- und Waffenteile entsorgt werden mussten. 45.000 Kubikmeter Haus- und Sperrmüll wurden abtransportiert; hinzu kamen tonnenweise Chemikalien, Altöle, Altfarben, Altreifen, Akkumulatoren sowie Asbestabfälle…

 

Mittlerweile wurden in den ehemaligen Stabsgebäuden zahlreiche Behörden angesiedelt, ein Großteil der Kasernen zu Wohnhäusern umgebaut, auf freigeräumten Flächen entstanden Einfamilienhäuser, es wurden Versorgungseinrichtungen, eine Grundschule und Kindergärten für die heutigen Einwohner von Wünsdorf errichtet.

  

Das Haus der Offiziere

 

Das Haus der Offiziere wurde ursprünglich von den Preußen als Turnschule erbaut. In den vier zum Areal gehörenden Gebäuden wurden verschiedene Sport- und Turnhallen, wie z. B. ein Fechtsaal, eine Schwimmhalle und eine Reithalle, errichtet. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde diese Anlage vorerst als Heeressportschule genutzt... weiterlesen